Projekte > Endemische Mehlbeeren
Was sind eigentlich Mehlbeeren?
Mehlbeeren gehören zum Kernobst aus der Familie der Rosengewächse, ebenso wie unsere Äpfel und Birnen. Ihre Früchte sind aber viel kleiner und meistens auffällig rot gefärbt. Sie werden gerne von Vögeln gefressen, welche die Kerne dann mit dem Kot verbreiten. Die Blätter sehen von Art zu Art recht verschieden aus. Sie können gefiedert, gelappt oder auch ganzrandig sein. Der Blattrand ist einfach oder doppelt gesägt. Die Blattunterseite zeigt oft eine weiße, filzige Behaarung.
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Ihren Namen verdanken die Mehlbeeren wohl dem Umstand, dass die Früchte mancher Arten früher in Notzeiten getrocknet und gemahlen dem Mehl als Brotzusatz beigefügt wurden. Vielleicht kommt der Name aber auch von ihrem mehligen Geschmack. Auch die filzige, mehlig aussehende Unterseite der Blätter könnte ausschlaggebend für die Namengebung gewesen sein. |
Bei den Mehlbeeren unterscheidet man im Landkreis Forchheim gegenwärtig etwa acht verschiedene Arten. Ob es nicht noch mehr Arten sind ist nicht ganz sicher, weil ihre Erforschung noch nicht ganz abgeschlossen ist. Einige Mehlbeeren, etwa die Vogelbeere, sind sehr häufig und weit verbreitet. Andere Arten, zum Beispiel die Gößweinsteiner Mehlbeere, kommen nur in einem eng begrenzten Areal vor. Die Gößweinsteiner Mehlbeere kommt eben nur im Raum Gößweinstein vor. Solche Tiere und Pflanzen mit kleinräumiger Verbreitung nennt man Endemiten oder für dieses Gebiet endemisch. Endemiten kennt man vor allem von Inseln wie dem Galapagos-Archipel, wo sie gehäuft auftreten. Aber auch bei uns finden sich eine Reihe endemischer Pflanzen, zum Beispiel auch unter den Habichtskräutern.
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Typischer Wuchsort der Fränkischen Mehlbeere auf einem Felskopf, hier am Mehlbeeren-Steig bei Muggendorf. |
Mittelwaldnutzung bei Leutenbach, die über das Bayerische Vertragsnaturschutz- |
Mehlbeeren (im Bild Fränkische Mehlbeere) sind sehr austriebsfreudig. Werden Sie zurückgeschnitten oder wie hier umgeworfen, treiben sie meist neu aus. |
Mehlbeeren sind lichthungrige Pflanzen, die im normalen Waldbestand in der Regel der Konkurrenz schneller und höher wachsender Baumarten, vor allem der Buche, unterliegen. Man findet sie daher heute vor allem an Wald- rändern oder auf kargen Felsstandorten, wo andere Baumarten sie im wahrsten Sinn des Wortes nicht in den Schatten stellen.
Früher waren Mehlbeeren viel weiter verbreitet und häufiger, da in der Frankenalb die meisten Wälder als Nieder- oder Mittelwald genutzt wurden. In diesen Wäldern wurden alle 15-30 Jahre die Gehölze zurückgeschnitten (auf Stock gesetzt), um Brennholz zu gewinnen. In Mittelwäldern wurden einige Überhälter als zukünftiges Bauholz stehen gelassen. Austriebsfreudige und Licht liebende Baum- arten wie die Mehlbeeren wurden hierdurch gefördert. Heute werden diese Nutzungsformen nur noch in wenigen Regionen durchgeführt, da sie sehr arbeitsaufwändig sind und nicht mehr so viel Brennholz benötigt wird.
In diesen sonnendurchfluteten, wärmebegünstigten Wäldern gedeihen nicht nur seltene Pflanzen. Sie sind auch das Zuhause einer besonderen Tierwelt, etwa einer artenreichen Insektenfauna, zum Beispiel aus der Lebensgemeinschaft der holzbewohnenden Käfer.
Die verbreiteten Mehlbeeren im Frankenjura
Die Vogelbeere, auch Eberesche genannt, ist die häufigste und am weitesten verbreitete einheimische Mehlbeere und wächst in großen Teilen Europas und Asiens. Sie hat gefiederte Blätter.Wie der Name schon sagt werden die Früchte von Vögeln, insbesondere von Drosseln, gerne gefressen. Die Samen überstehen die Darmpassage unbeschadet und werden durch die Vögel verbreitet.
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Vogelbeere (Sorbus aucuparia) |
Elsbeere (Sorbus torminalis) |
Die Elsbeere verträgt von allen unseren Mehlbeeren noch am meisten Schatten. Man findet Sie deshalb auch mitten im Bestand, meist aber nur in ehemaligen Mittelwäldern. Im Gegensatz zu den anderen Mehlbeeren-Arten kann sie forstwirtschaftlich genutzt werden. Ihr Holz gehört zu den wertvollsten Furnierhölzern. Ihre Früchte sind braun, fallen bei Reife herunter und schmecken Dachsen und Wildschweinen.
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Gewöhnliche oder Echte Mehlbeere (Sorbus aria) |
Die Früchte der Mehlbeeren (hier Fränkische Mehlbeere) locken mit ihrer roten Färbung Vögel an, die sie gerne verspeisen und dadurch verbreiten. |
Die Pannonische Mehlbeere ähnelt sehr der Gewöhnlichen Mehlbeere. Die ledrigen Blätter haben meist zehn Paar Blattadern, sind zum Stiel hin keilförmig, zur Spitze abgerundet und erinnern etwas an einen Tennisschläger. Die Art ist sehr lichtbedürftig, aber dennoch im Naturpark bis heute verbreitet und fast auf jedem Felskopf zu finden.
Die Gewöhnliche Mehlbeere ist im Vergleich zur vorigen viel weiter verbreitet (Pyrenäen, Alpen, Schwarzwald, Schwäbische Alb). Bei uns in der Nördlichen Frankenalb ist sie aber etwas Besonderes. Im Landkreis Forchheim ist sie kaum zu finden. Sie wächst nur am westlichen Albtrauf zwischen Forchheim, Bamberg und Lichtenfels. Sie hat meist dünne Blätter mit bis zu 14 Paar Blattadern und abgerundetem Blattgrund.
Der Speierling (Sorbus domestica, ohne Bild) ist im Landkreis und in der gesamten Nördlichen Frankenalb wohl nur gepflanzt. Er wird aber wegen seiner attraktiven Früchte, eine wichtige Zutat zu herbem Apfelwein, manchmal in Gärten kultiviert.
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Vogelbeere |
Elsbeere |
Pannonische Mehlbeere |
Die Schwedische Mehlbeere (Sorbus intermedia, ohne Bild) stammt von der Ostsee und wird wegen Ihrer Robustheit und als Zierde häufig an Straßenrändern angepflanzt, von wo sie sich langsam einbürgert.
Die Mehlbeeren unterscheiden sich untereinander auch deutlich in ihrer Rinde. Während junge Bäume der Vogelbeere eine glänzende, oft grau gefärbte Rinde und quer zur Wuchsrichtung (Querstreifung) gestellte Korkmale, sogenannte Lentizellen, besitzen (sie dienen zum Gasaustausch), reißt die Borke bei der Elsbeere schon früh auf und wirkt dadurch kleinschuppig wie ein Birnbaum. Die Rinde der Pannonischen Mehlbeere ist glatt mit regelmäßig verteilten Lentizellen.
Endemische Mehlbeeren im Landkreis Forchheim
Im Frankenjura gedeihen einige Mehlbeeren- Arten, die weltweit nur hier vorkommen. Diese Arten sind wahrscheinlich erst nach der letzten Eiszeit entstanden, also naturgeschichtlich betrachtet noch sehr junge Arten. Die endemischen Mehlbeeren, die teilweise weltweit nur in wenigen Exemplaren auf eingen Felsköpfen wachsen, vermehren sich ungeschlechtlich. Sie pflanzen sich zwar über die keimfähigen Samen in ihren Früchten fort wie andere Obstarten auch. Ihre Blüten müssen auch bestäubt werden, die Samen entstehen aber ohne Befruchtung, sind genetisch einheitlich und stimmen mit dem Mutterbaum exakt überein. Man nennt solche Pflanzen auch Apomikten. Ach die Pannonische Mehlbeere ist ein Apomikt.
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Die Bastard-Mehlbeere (Sorbus x-vagensis) ist eine Kreuzung aus Gewöhnlicher Mehlbeere und Elsbeere. Ihre Früchte enthalten zwar keimfähige Kerne, im Gegensatz zu den endemischen, stabilen Arten sind die daraus keimenden Sämlinge jedoch nicht einheitlich, sondern unterscheiden sich in allen Merkmalen, wie die Nachkommen echter Bastarde auch. |
Hohenesters Mehlbeere (Sorbus hohenesteri), entstanden vermutlich aus einer Kreuzung von Pannonischer Mehlbeere und einer Vogelbeere. Durch den Einfluss der Vogelbeere sind die Blätter stark gelappt. | ![]() |
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Fränkische Mehlbeere (Sorbus franconica), entstanden vermütlich aus einer Kreuzung von Pannonischer Mehlbeere und Elsbeere. Die Blätter sind „nur“ gezähnt. |
Entstanden sind unsere endemischen Arten vermutlich aus Kreuzungen von sich ausnahmsweise geschlechtlich fortpflanzender Pannonischer Mehlbeere mit der Vogelbeere oder mit der Elsbeere. Ist die Vogelbeere beteiligt, sind die Blätter stärker gelappt und länglicher (wie bei der Gößweinsteiner Mehlbeere). Ist die Elsbeere beteiligt, sind die Blätter schwächer und zugespitzt gelappt (wie bei der Fränkischen Mehlbeere). Solche Bastard- Bildungen sind anscheinend selten, können aber auch heute noch stattfinden. Entsteht bei einer solchen Kreuzung ein Nachkomme, der sich ungeschlechtlich fortpflanzt und genetisch stabil ist, dann ist eine neue Art entstanden. Sie muss aber wuchskräftig sein, um sich gegenüber der Konkurenz anderer Baumarten behauten zu können.
Die Fränkische Mehlbeere ist eine typische Art der Dolomitkuppen in der Frankenalb, wo andere Gehölze zurücktreten. Sekundär ist sie auch an Waldrändern zu finden sowie in Bereichen, wo sie durch regelmäßige Brennholznutzung (Niederwald) durch den Menschen gefördert wurden.
Die Gößweinsteiner Mehlbeere ist eine Baumart, die ähnlich wie die Elsbeere an geeigneten Standorten sehr kräftig wachsen kann und dadurch im lichten Laubwaldbestand ganz gut mithalten kann. Man findet daher manchmal sehr hohe und kräftige, gerade gewachsene Exemplare.
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Fränkische Mehlbeere |
Gößweinsteiner Mehlbeere |
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Hersbrucker Mehlbeere |
Hohenesters Mehlbeere |
Fränkische Mehlbeere und die Hersbrucker Mehlbeere sind in der Frankenalb die beiden am weitesten verbreiteten Endemiten, die beide noch in über Tausend Exemplaren vorkommen. Aber auch sie werden zunehmend auf Waldrandlagen verdrängt und fallen auch dort oft der Säge zum Opfer.
Die Hohenesters Mehlbeere ist die seltenste unter den Mehlbeeren im Landkreis. Mit etwa 12 am natürlichen Standort wachsenden Exemplaren ist sie eine der seltensten und gefährdetsten Baumarten sogar auf der ganzen Welt.
Seltenste Baumart der Welt – Hohenesters Mehlbeere
Die Hohenesters Mehlbeere (Sorbus hohenesteri N. MEYER 2005) wächst auf der ganzen Welt nur auf einzelnen Felsköpfen im Seebach- tal bei Leutenbach. Sie wird deshalb auch Leutenbacher Mehlbeere genannt. Entdeckt wurde die Art erst 1992 durch den Biologen und Mehlbeeren-Spezialisten Norbert Meyer, der dann 2005 auch die Erstbeschrei- bung veröffentlichte. Benannt wurde die Art zu Ehren von Prof. Dr. Adalbert Hohenester, des 1999 verstorbenen Erlanger Professors für Geo- botanik, der ein führender Pflanzensoziologe in Süddeutschland war.
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Schössling der Leutenbacher Mehlbeere. |
Blätter und Früchte der Leutenbacher Mehlbeere 2009. In manchen Jahren werden die Blätter von pflanzenfressenden Insekten wie Rüssel- und Blattkäfern stark heimgesucht. |
Entstanden ist die Art vermutlich erst nach der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren aus einem Bastard aus Pannonischer Mehlbeere und Vogelbeere, der sich zu einer stabilen Art ent- wickelt hat. Dass die Vogelbeere beteiligt war, erkennt man an den stark gelappten, manchmal fast gefiederten Blättern. Blühendes Exemplar der Leutenbacher Mehlbeere Schössling der Leutenbacher Mehlbeere. Blätter und Früchte der Leutenbacher Mehlbeere 2009. In manchen Jahren werden die Blätter von pflanzenfressenden Insekten wie Rüssel- und Blattkäfern stark heimgesucht. Blatt der Leutenbacher Mehlbeere.


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Um die wenigen Exemplare der Leutenbacher Mehlbeere vor Wildverbiss zu schützen wurden sie eingezäunt. |
Aufbau einer Erhaltungszucht für endemische Mehlbeerenarten in der Obstbauversuchsanlage des Landkreises Forchheim in Hiltpoltstein. |
Im Gegensatz zu manch anderen Mehlbeeren, etwa der Fränkischen Mehlbeere, wächst die Leutenbacher Mehlbeere immer aufrecht nach oben. Sie ist dadurch nicht in der Lage einer Beschattung auszuweichen. Dies ist sicherlich eine wichtige Ursache dafür, dass sie heute viel seltener ist als die anderen Arten. Der Landschaftspflegeverband versucht nun, über gezielte Entnahmen beschattender Gehölze den übrig gebliebenen Vorkommen der Leutenbacher Mehlbeeren wieder mehr Licht zu verschaffen.

Bei der Entdeckung 1992 wurden noch etwa 50 Stöcke der Leutenbacher Mehlbeere gezählt. Heute sind nur noch unter 10 fruchtbare, allerdings kümmernde Exemplare sowie einige Schösslinge bekannt. Der Landschaftspflegeverband versucht deshalb zusammen mit der Regierung Oberfranken, dem Landratsamt Forchheim und den Botanischen Gärten Erlangen, Bayreuth und Regensburg eine Erhaltungszucht aufzubauen.
Andere endemische Mehlbeeren der Nördlichen Frankenalb
Die endemischen Mehlbeeren werden in zwei Gruppen unterteilt. Zur sogenannten Sorbushybrida- Gruppe gehören alle Arten mit deutlich gelappten Blättern: S. harziana, S. pulchra, S. hohenesteri und S. pseudothuringiaca. Sie sind aus Bastardbildungen von Echter Mehlbeere und Vogelbeere entstanden.
Zur Sorbuslatifolia- Gruppe gehören dagegen Arten mit undeutlicher oder zugespitzter Lappung. Hier war statt der Vogelbeere die Elsbeere beteiligt. Die Arten S. cordigastensis, S. adeana, S. franconica und S. schnizleiniana gehören dazu.
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Ades Mehlbeere |
Kordigast-Mehlbeere (Sorbus cordigastensis) |
Harzsche Mehlbeere (Sorbus harziana) |
Helfen Sie den Mehlbeeren!
Alle endemischen Mehlbeeren sind bei uns gefährdet, einige sogar vom Aussterben bedroht. Insbesondere durch die Aufgabe historischer Nutzungsformen und den damit verbundenen Umbau in Hochwald sind sie aus den Wäldern großflächig verschwunden und nur noch an Waldrändern oder Felsköpfen zu finden. Es ist deswegen dringend notwendig, diese seltenen und weltweit einmaligen Baumarten zu erhalten und zu fördern.
Bitte beachten Sie deshalb:
- Achten Sie auf Mehlbeeren, insbesondere auf Felsköpfen, an Waldrändern, in lichten Wäldern und in ehemalig oder aktuell als Nieder- oder Mittelwald genutzten Beständen.
- Schonen Sie die Mehlbeeren bei allen forstlichen Maßnahmen oder beim Freischneiden von Feld- und Wanderwegen oder an Straßen.
- Unterstützen Sie die Mehlbeeren, indem Sie auf Ihrem Grundstück stark beschattende Gehölze im Umfeld zurückschneiden.
- Bitte lassen Sie die Mehlbeeren an Ihrem natürlichen Standort! Bitte entnehmen Sie keine Schösslinge oder „Beeren“ von endemischen Arten.
- Unterstützen Sie historische Nutzungsformen wie die Mittel- und Niederwaldnutzung sowie Landschaftspflegemaßnahmen.Wenden Sie sich bzgl. Fördermitteln an den Landschaftspflegeverband oder die Untere Naturschutzbehörde, im Wald-Vertragsnaturschutzprogramm auch an das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
- Haben Sie Fragen zu Mehlbeeren? Wenden Sie sich an uns.
[Zur Broschüre ...]
Das Projekt „Einen Urfranken am Fels sichern“ (Endemische Mehlbeeren) wurde über Mittel des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit gefördert.

